Rüsselpositionen bei Insekten

Dass Insekten enorm vielfältig sind, kann gar nicht häufig genug erwähnt – und mit einer Vielzahl passender Beispiele unterlegt werden! Beine, Flügel und Körperformen variieren je nach Spezialisierung auf ein bestimmtes Verhalten oder einen Lebensraum. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch die Mundwerkzeuge nicht in allerhand Variationen vorkommen. „Werkzeuge“ beschreibt die Nahrungsaufnahme-Strukturen der Insekten ziemlich gut, denn hier finden sich nicht nur Zähne, sondern aus verschiedenen Bestandteilen (Werkzeugen) zusammengesetzte Spezialapparate. (Labrum= Oberlippe (begrenzt den Mundraum nach oben), Mandibel,= Oberkiefer, Maxillen = Unterkiefer (seitliche Wände des Mundraums), Galea= Außenlade, Lacinia= Innenlade, Palpus= Taster, Labium= Unterlippe (Boden des Mundraumes))

Und dieser Werkzeugkasten ist nicht nur variabel zu langen Saugrüsseln, kräftigen Beiß- und Schneidewerkzeugen oder feinen Kanülen umgebildet, er kann sich auch an verschiedenen Stellen des Körpers befinden. Bei Kehlschnäblern oder Kehlrüsslern sitzen die Mundwerkzeuge beispielsweise am Hals und nicht wie bei anderen Insekten dort wo wir sie unserer Anatomie folgend auch erwarten würden: im unteren Teil des Gesichts. Der letzte Satz macht ein generelles Problem der Insektenanatomie deutlich: um die Tiere zu beschreiben setzen Menschen immer wieder den Vergleich mit der Wirbeltieranatomie ein. Definition Kopf =  dort wo Augen, Antennen und –  normalerweise – die Mundwerkzeuge sitzen.

Die Kehlschnäbler, sind die Zikaden-verwandten. Der Wissenschaftliche Name „Auchenorrhyncha“ leitet sich vom griechischen auchen für Nacken und dem Wort rhynchos für Schnauze/ Rüssel ab. Denn genau hier befinden sich bei dieser Gruppe die Mundwerkzeuge: an der Unterkante des Kopfes, weiter unten gelegen als im Standardbauplan vorgesehen.

Der Kopf der Kehlschnäbler ist fast unbeweglich mit dem Brustkorb verbunden und im Bereich des Kopfschildes (Clypeus), befindet sich eine Saugpumpe, mit der die Tiere Pflanzensäfte einsaugen.

Bei den Sternorrhyncha, den Brustschnäblern, liegen die Mundwerkzeuge noch weiter hinten: sie befinden sich zwischen den Hüften des ersten Beinpaares (Vordercoxen). Einen Rüssel an der Brust tragen die Pflanzenläuse, zu denen auch Blattläuse und Schildläuse gehören. Zur Verschiebung der Mundwerkzeuge ist es im Laufe der Evolution gekommen, in dem sich der Kopf umgeformt hat und dabei Antennen und Augen nach vorne und gleichzeitig die Mundwerkzeuge nach hinten und unten gewandert sind.

Diese Abbildung zeigt die verschiedenen Rüsselpositionen :

Schmitt, M. (2022). Die Vielfalt der Insekten. In: Insektenwunderwelt – Einstieg in die Entomologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-64077-7_9

Doch das sind noch lange nicht alle alternativen Positionen für Mundwerkzeuge bei Insekten. Die Schnabelfliegen beispielsweise, zu denen die bei uns einheimische Skorpionsfliege gehört, tragen diesen Namen nicht ohne Grund. Ihr Kops ist nach vorne ausgezogen und wirkt dadurch wie ein Schnabel. Die Mundwerkzeuge befinden sich allerdings an der Spitze dieses langen „Schnabels“, der sich auch nicht aufklappen lässt.

Ähnlich ist es bei den Rüsselkäfern. Der lange Rüssel (manchmal um ein vielfaches länger als das restliche Tier) ist ebenfalls ein langer, sehr dünner nach vorne hin verlängerter Kopf, an dessen spitze sich die Mundöffnung und die kleinen, kauend-beißenden Mundwerkzeuge befinden. Gut erkennen kann man es bei den Rüsselkäfern an der Position der Antennen, die bei vielen Arten sehr weit vorne am „Rüssel“ sitzen.

Ebenfalls speziell sind die Mundwerkzeuge der Netzflügler-Larven (Neuroptera), die auch unter Namen wie Blattlaus- oder Ameisenlöwe bekannt sind. Sie tragen an ihrem Kopf lange, zangenartige Stilette, mit denen sie ihre Beute (ja, das sind dann tatsächlich Blattläuse oder Ameisen) festhalten. Durch kleine Löcher an den Spitzen wird ein Gift in die Beute injiziert, die dadurch gelähmt und anschließend verdaut werden (extraintestinale Verdauung).

Ist dieser Vorgang abgeschlossen, saugen die kleinen Löwen saugen die Beute aus – alles über die Stilette in denen sich ein Gift- und ein Saugkanal befinden. Dieser Saugkanal ist auch der einzige Zugang zur Mundhöhle der Tiere.

In extremen Fällen haben sich auch Mundwerkzeuge entwickelt, die gar nicht mehr als solche verwendet werden können. So besteht das Geweih des männlichen Hirschkäfers aus den stark vergrößerten Mandibeln, seinen Oberkiefern. Diese können zwar noch eingesetzt werden, um damit Rivalen aus dem Weg zu befördern, beißen und Nahrung zerkleinern ist allerdings schwierig, weshalb die Männchen auf weibliche Hirschkäfer angewiesen sind, die ihnen Zugang zu Pflanzensäften ermöglichen. Diese können sie glücklicherweise mit den restlichen Mundwerkzeugen noch aufnehmen.

Rüsselpositionen bei Insekten

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