Dinosaurierblut und Mr. DNA - ist Jurassic Park möglich?
In Dino Park von Michael Crichton geht es um Wissenschaftler, die mit gentechnischen Methoden Dinosaurier wieder zum Leben erwecken und sie auf einer einsamen Insel ansiedeln. Dass das nicht gehen kann, ist natürlich vorprogrammiert und die Dinosaurier verlassen zum einen unbemerkt die Insel und sie pflanzen sich fort, obwohl die Wissenschaftler absichtlich nur weibliche Tiere ausgebrütet haben. Die Geschichte fasziniert, vor allem weil der Autor v verschiedene wissenschaftliche Methoden eingebaut hat. Sie wurde als Jurassic Park verfilmt und ist mit drei Teilen Jurassic World heute immer noch aktuell.
Ich glaube ich bin nicht die einzige Person, die mit der Fantasie spielt, wie es wäre einen Dinosaurier zu halten (in meinem Fall eher eine Riesenlibelle oder einen Riesentausendfüsser).
Das spannende an Jurassic Park ist, dass die Geschichte nicht nur durch wissenschaftliche Erkenntnisse inspiriert ist, sondern die Geschichte wiederum auch die Forschung beeinflusst hat und die Frage im Anschluss wieder verstärkt aufgegriffen wurde. Hier hat die Wissenschaftskommunikation auch eine große Rolle gespielt, denn die Forschungsergebnisse wurden immer wieder kontrovers diskutiert und in reißerischen Schlagzeilen an die Öffentlichkeit gebracht.
Doch ist es wirklich realistisch, Dinosaurier wieder zum Leben zu erwecken? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns in unterschiedliche Fachgebiete und Themenbereiche einlesen, wir brauchen jede Menge Hintergrundwissen. Wir müssen verstehen, was DNA ist, aus was sie aufgebaut ist und wie Fossilien entstehen. Und wir müssen einschätzen können, ob die Forschungsergebnisse, die es gibt, glaubwürdig sind.
Das ist im Fall „Jurassic Park“ gar nicht so einfach, denn hier widersprechen sich die Wissenschaftler gegenseitig. Während die einen der Meinung sind, dass sie uralte (und das heißt mehrere Millionen Jahre alte) DNA isoliert haben und diese sich in einem relativ guten Zustand befindet, haben andere versucht die Experimente nachzustellen und sind zu anderen oder gar keinen Ergebnissen gekommen.
Die Reproduzierbarkeit von wissenschaftlichen Experimenten ist ein wichtiger Faktor in der guten wissenschaftlichen Praxis. Das heißt, dass die Experimente, die ich durchführe von anderen nachgebaut werden können müssen – und im besten Fall zu den gleichen Ergebnissen führen. Ist das nicht möglich, gilt ein Experiment als „nicht reproduzierbar“ und das Ergebnis der vorherigen Studie wird infrage gestellt.
Ein Problem hierbei: DNA, die Desoxyribonukleinsäure (auf Deutsch als DNS abgekürzt) ist ein sehr empfindliches Molekül, das bei ungünstigen Bedingungen zerfällt – und damit quasi unbrauchbar wird. Es darf nicht zu warm sein, ist das Gewebe zu nass ist es auch nicht richtig, ist der pH zu hoch oder zu niedrig passt es auch wieder nicht. Auch mechanische Kräfte und UV-Strahlung sind suboptimal für den Erhalt von DNA.
Aber kürzere Stücke DNA, um die 200 Basenpaar-Länge, sind noch brauchbar. Im Vergleich: ein menschliches Genom besteht aus 3 Milliarden Basenpaaren, das einer Fichte aus 20 Milliarden. Brauchbar heißt in diesem Fall jedoch, dass damit genetische Analysen oder Genomsequenzierungen durchgeführt werden können. Wissenschaftler haben eine Halbwertszeit bestimmt, nach der berechnet werden kann wie viel DNA unter bestimmten Bedingungen erhalten bleiben kann. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass DNA (unter den richtigen Bedingungen) viele hunderttausend Jahre bis hin zu einer Millionen Jahre überdauern kann! Andere sind sogar der Meinung, dass diese Zahl zu klein ist und auch älteres Material erhalten sein kann und das ganze durch niedrige Temperaturen unterstützt wird.
Aber warum eigentlich DNA? DNA ist das Molekül, dass die Erbinformation trägt. Zusammengesetzt aus den vier Basen Guanin, Cytosin, Thymin und Adenin und einem Zuckerskelett (der Desoxyribose) sind in ihr unsere Gene in Form einer spezifischen Sequenz aus diesen Basen gespeichert. Diese werden dann abgelesen und daraus entstehen Proteine und am Ende ganze Organismen. Um einen Dinosaurier zusammenzubauen benötigt man deshalb genau das: seine Erbinformation gespeichert in der DNA. DNA befindet sich in all unseren Zellen und demnach auch in allen Geweben – auch in Knochen. Die kleinen DNA Mengen, die gefunden werden, werden mittels PCR, der Polymerase Kettenreaktion, einer Labortechnik, vervielfältigt. Hierbei wird eine große Menge der DNA hergestellt, um sie anschließend sequenzieren zu können. Kommt Fremd-DNA in die Probe (häufig die der Menschen, die mit den Stücken arbeiten – also das von Sammlerinnen, Museumsmitarbeitern und Wissenschaftlerinnen, denn DNA befindet sich überall an uns!), wird auch die hierbei stark vervielfältigt und verfälscht das Ergebnis.
Wenn ein neues Skelett gefunden wird, sind das doch dann perfekte Bedingungen für einen Raptor-Klon, oder?
Weniger. Denn die letzten Dinosaurier haben nicht vor einer Million Jahre, sondern vor 65 Millionen Jahren gelebt, das heißt ihre DNA ist viel älter als die vermuteten 1 Millionen Jahre. Und die Überreste, die wir heute finden, wurden nicht im Tiefkühlfach gelagert, sondern haben im Laufe der Zeit verschiedene Temperaturperioden überdauert. Hier ist es sehr unwahrscheinlich, noch DNA geschweige denn gut erhaltene Moleküle zu finden. Dazu kommen noch Enzyme die DNA abbauen, sogenannte Nukleasen, die sich im Körper befinden und nach dem Tod im Gewebe länger aktiv bleiben. Also sind Dinosaurierknochen keine Option.
In Dino Park bzw. Jurassic Park wird deshalb eine Alternative genutzt: Die DNA stammt nicht aus Knochen, sondern aus dem Blut eines Dinosauriers, welches von einer Stechmücke aufgenommen wurde, die in Bernstein erhalten ist.
Und wie realistisch ist dieses Szenario?
Der Großteil der DNA befindet sich im Zellkern der Zellen, ein kleinerer Teil in den Mitochondrien, Zellorganellen, die sich außerhalb des Zellkerns befinden. Hier liegt die DNA als langer Strang vor, von dem die Gene abgelesen werden können. Außerhalb von Zellen, zum Beispiel im Blutplasma befinden sich nur kleine Bruchstücke und keine langen DNA-Stränge. Diese kurzen Stücke stammen von abgebauten Zellen und können trotz ihrer geringen Größe in der Medizin genutzt werden, und zwar für die Tumordiagnostik.
Um jetzt aus dem Blut ausreichend genetische Information zum Nachbau eines Organismus zu gewinnen, benötigt man also Zellen mit Zellkernen und das ist – zumindest bei Menschen – nicht so einfach: denn die Zellen die den Großteil des Blutes ausmachen, die roten Blutkörperchen (hiervon gibt es pro µl etwa 4-6 Millionen) haben bei Säugetieren gar keinen Zellkern mehr!
Gut, dass bei Jurassic Park kein Mensch sondern Dinosaurier die Hauptrolle spielen (und von der Mücke gestochen wurden), denn bei Vögeln und Reptilien haben die Roten Blutkörperchen, die Erythrozyten, noch Zellkerne!
Kurzer Einschub: Um alte menschliche DNA (oder die anderer Säugetiere) zu untersuchen eignet sich übrigens Knochenmark sehr gut. Denn hier befinden sich die Vorläuferzellen unserer Blutzellen die noch DNA enthalten und durch seine Lage in den fossilisierten Knochen ist es vor Umwelteinflüssen etwas besser geschützt. Im Jahr 2022 hat Svante Pääbo den Nobelpreis für Physiologie und Medizin für die Sequenzierung des Neandertaler-Genoms erhalten. Wenn ihr euch hierfür interessiert, kann ich euch sein Buch „Die Neandertaler und wir: Meine Suche nach den Urzeit-Genen“ empfehlen!
Zurück zum Dinosaurierblut:
Perfekt! Dann haben wir ja die Antwort …
Nicht so ganz… denn wir wissen, was mit Dingen, die wir essen passiert – sie werden verdaut. Und genau das passiert auch im Magen einer Mücke, die das Blut trinkt, um die darin enthaltenen Proteine als Eiweißquelle für die Eiproduktion zu nutzen.
Das heißt, dass die Mücke direkt nach ihrer Blutmalzeit im Harz eingeschlossen worden sein muss und auch hier sehr sehr schnell fossilisieren musste, damit alles gut erhalten blieb. Leider bietet Bernstein, das fossilisierte Harz nicht die besten Bedingungen um schnell, lang und möglichst unverändert zu konservieren. Viele der eingeschlossenen Tiere, die auch als Inklusen bezeichnet werden, sind nur noch Abdrücke oder Hohlräume – das eigentliche Tier hat sich im langsam aushärtenden Harz zersetzt und einen leeren Raum in seiner Körperform zurückgelassen.
Eine Forschergruppe am Senckenberg Institut in Frankfurt untersucht den Erhalt von Tieren und ihrer DNA in Bernstein an subfossilem Material, das heißt an Tieren, die erst vor kurzer Zeit in Bernstein eingeschlossen sind. Dieses Material wird Copal genannt, welches nur wenige Jahre bis einige Jahrtausende alt ist.
Doch in erst 40 000 Jahre altem Kopal konnte schon keine DNA-Erhaltung mehr nachgewiesen werden. Die Untersuchungen gehen weiter, aktuell mit deutlich jüngerem Material das zwischen 2 und 6 Jahre alt ist, um herauszufinden welche Strukturen unter welchen Bedingungen gut erhalten werden. So deuten andere Untersuchungen darauf hin, dass Proteine weitaus länger erhalten werden können. Die Forschungsrichtung der Paläoproteomics geht hier von mehr als 1 Millionen Jahren aus.
Kommen wir also zum Fazit:
Als Wissenschaftler können wir nur über das sprechen, was wir oder andere mit wissenschaftlichen Methoden herausgefunden haben. Wir können sagen: Nach neustem Erkenntnisstand, spricht jenes dafür oder jenes dagegen.
Etwas mit voller Überzeugung anzunehmen, ohne die richtigen Beweise zu haben ist deshalb aus meiner Sicht ebenso anmaßend wie eine Option vehement auszuschließen. Denn wir wissen nur, was wir bis jetzt wissen. Vieles, was uns heute als selbstverständlich erscheint (zum Beispiel, dass DNA die Erbinformation trägt, dass viele Dinosaurier Federn hatten) war lange Zeit ein großes, scheinbar unlösbares Rätsel.
Es gibt eine Menge, was wir nicht wissen und nicht können. Möglicherweise ist irgendwo DNA erhalten. Möglicherweise ist sie so vollständig und gut erhalten, dass eine Rekonstruktion möglich ist. Möglicherweise haben wir irgendwann auch die Technik dafür.
Jetzt fehlt nur noch die einsame Insel, der Vergnügungspark und natürlich die moralische Entscheidung, ob es unbedingt notwendig ist etwas zu tun, nur weil wir es können.